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Wieso brauchen wir den Science March auch in Deutschland?

Gestern Abend war ich (als einer der Organisatoren des Münchner Science March) im Gespräch mit einem Reporter für Bayern 5 Aktuell. Er sagte mir, dass er nur einen kurzen Bericht machen wolle und daher nur Platz für eine Frage/Antwort habe: “Wieso brauchen wir den Science March auch in Deutschland?

Was er damit meinte: Dominieren etwa in Deutschland schon “fake news”? Gibt es hier Schließungen von Universitäten und werden Wissenschaftler etwa auch hierzulande gegängelt wie in Ungarn oder der Türkei? Erhalten staatliche Agenturen Maulkörbe und verbreitet sogar die Regierung “alternative facts” wie in den USA?

Zum Glück lassen sich all diese Fragen mit einem klaren Nein beantworten.

Dennoch gibt es meiner Meinung nach aber auch hierzulande Gründe, um für die Wissenschaft zu marschieren. Hier sind ein paar:

  1. auch wenn “alternative facts” in Deutschland nicht dominieren, so gibt es sie hierzulande durchaus auch in der Politik und zwar quer durch die Parteienlandschaft:
    • Mitte der 1990er Jahre hat die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder den “Binnenkonsens” im Sozialgesetzbuch verankert. Demnach müssen Medikamente nicht mehr generell nach wissenschaftlichen Standards getestet werden, sondern lediglich nach den Standards, die in der jeweiligen “Therapie-Richtung” üblich sind. Das heißt im Klartext: wer ein neues (medizinisches) Medikament zulassen will, muss in aufwändigen klinischen Studien die Wirksamkeit des Medikaments nachweisen. Wer aber neue homöopathische Globuli, Bachblüten-Extrakte oder ähnliche Quacksalberei auf den Markt bringen möchte, darf sich auf seine “besondere Therapierichtung” berufen und muss lediglich nachweisen, dass das Medikament ungiftig ist. Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund, aber insbesondere die Grünen wollten damals diverse esoterische Praktiken in den Katalog der Krankenkassen bekommen, was dann auch so geschehen ist. Bis heute zahlen viele große deutsche Krankenkassen für Mittelchen, für die nie ein Wirknachweis erbracht worden ist.
    • nach mehreren Anläufen und Rückschlägen hat die CSU dieses Jahr die Einführung einer “Infrastrukturabgabe” (vulgo “Ausländer-Maut”) durchgesetzt. Sie hat zwar explizit auch zum Ziel, ausländische PKW-Halter zur Kasse zu bitten, begründet diesen “Racheakt” aber dann doch damit, dass zusätzliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur notwendig seien. Nun sind sich die meisten Experten aber einig, dass durch diese Maut viel weniger Geld in die Bundeskasse fließt als von der CSU gedacht, womöglich wird sie gar ein Zuschuss-Geschäft. Damit fällt der wesentliche Nutzen dieser Maut weg. Das, freilich, wusste man schon seit langem, hat es aber ignoriert.
    • ganz am rechten Rand des politischen Spektrums versucht die AfD auch mit der Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse Stimmen zu fangen und schreibt in ihrem Parteiprogramm zum Thema Klimawandel, dass sich das Klima immer schon geändert habe, der Einfluss des Menschen nicht gesichert sei und mehr CO_2 im übrigen gut sei für das Wachstum von Pflanzen.
  2. Die Entwicklungen in der Türkei, in Ungarn, in Polen und in den Vereinigten Staaten haben auch gezeigt, wie schnell der Abbau von Demokratie und der damit verbundene Abbau freier Wissenschaft gehen kann. Es ist daher wichtig, immer wieder daran zu erinnern, wie wichtig freie Wissenschaft für unsere Demokratie und für unseren Wohlstand ist.
  3. Vor der Bundestagswahl im September sollten wir ganz konkret dazu aufrufen, die zur Wahl stehenden Parteien kritisch bezüglich ihrer Unterstützung von Wissenschaft zu beurteilen.
  4. und letztens sehe ich den Science March auch als Appell an Wissenschaftler, mehr zu tun, um die Bedeutung ihrer Wissenschaft einer breiteren Bevölkerungs-Schicht zugänglich zu machen. Wichtig ist dabei meines Erachtens nicht nur das Vermitteln von Ergebnissen, sondern auch die Diskussion der wissenschaftlichen Methode. Wir müssen stärker aufzeigen, wie rigoros Ergebnisse hinterfragt und geprüft werden und dadurch klar machen, weshalb wissenschaftliche Ergebnisse so viel belastbarer sind als Meinungen und Gefühle.

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